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So 19.08.07 Novi Sad, km 796 (Jan) 1078 (Christian)
Vukovar – Novi Sad. 85 km, 20,4 km/h.
Wetter: 26°C, heiter bis wolkig.
Team: Christian, Georg, Robert, Tobi, ich.

Meet the
Dragans
... und am 19.8. folgte mein 20.
Land mit dem Rad: Serbien. Es begann mit Abschied von Meike nach einem
Frühstück mit Donaublick, einer Taube, die mit voller Geschwindigkeit
gegen ein Glasfenster flog und einer etwas trägen Bedienung. Das
reduzierte Fünfer-Team machte Fotos am zerschossenen Wasserturm
und stoppte an einem Mini-Markt mit hilfsbereiter Frau.
Wir mussten immer wieder knackige 8%-Anstiege (Hier wurde klar, was
sich später bestätigen sollte: Christian ist reif für
die Tour de France! Noch ein bisschen Testosteron, und on y va!) und
Abfahrten durch eine Wein-, Mais- und Sonnenblummenlandschaft, die
Löss anscheinend nur so im Überschuss besaß. Linker
Hand konnte man immer wieder kurz die Donau sehen. Da Sonntag war,
gab es wenig Verkehr.
Gegen 12.30 Uhr erreichten wir nach Diskussionen über optimale
Steigungen und Reibungsenergie den Grenzort Ilok und dort eine kleine
Tankstelle mit beeindruckendem Sortiment an Snacks: Kolumbo, Mars
oder sogar Snickers! So reisten wir alle doch noch mit ein paar Kuna
nach Serbien ein. Dort traute man seinen Augen kaum: An der Grenze
standen riesige Tafeln mit dem serbischen Teil des europäischen
Radwanderwegs Atlantik – Schwarzes Meer. Unten auf der Tafel
stand groß das GTZ-Logo.
Die weitere Fahrt führte durch Serbiens Kornkammer, die tellerflache
Vojvodina, in der auch gut Gemüse wächst. Auf der anderen
Donauseite konnte man die 500 Meter hohen Berge des Nationalparks
Fruska Gora sehen. In Futog testeten wir den Geldautomaten der ERSTEN
vergeblich und rätselten über den Umrechnungskurs Dinar
zu Euro. Die Lösung lautete 80:1. Ein Brot war für 25 Dinar
zu haben.
Kurz dahinter fing ein asphaltierter Radweg mit fürchterlichen
Bordsteinkanten an, den wir mit Rücksicht auf unsere Felgen kurz
vor Novi Sad zugunsten der Straße verließen. Wir versuchten
den Campingplatz zu finden, landeten aber bald mitten im Stadtzentrum,
zu erkennen an McDonald's. Dort begegneten wir einer netten slowakischen
Vater-Sohn-Kombination, bei der mir nicht ganz ersichtlich war, wo
sie jetzt langfahren wollte, da der Vater pausenlos neue Touren der
letzten Jahre aufzählte. Dies bemerkte auch Dragan, ein pfiffiger
junger Serbe mit kroatischer Mutter, Hamburger Vater und weißem
Lacoste-Poloshirt. Nach seinen Angaben gibt es den Campingplatz nur
zur Zeit des Exit-Festivals, aber er könne uns ein gutes Hostel
mit «clean rooms» für 12 Euro empfehlen. Wir waren
uns zwar bewusst, was Touristenfallen sind, folgten ihm aber trotzdem:
Angucken kann man sich ja mal.
Er hatte recht: Die Räume waren zwar klein, aber sauber, und
für 1 Euro Aufpreis konnten wir auch unsere Räder in einem
Schuppen unterstellen. Auf das Angebot, im Restaurant seiner Eltern
zu Gypsy Music zu dinieren, kamen wir nicht zurück, auch wenn
das ganze Restaurant mit Weinflaschen quasi tapeziert war.
Stattdessen begaben wir uns in die Stadt und hatten am fünften
Geldautomaten Glück. Daraufhin begaben wir uns an die Donau,
wo wir auf einem Flohmarkt die legendären Panini-Mexico-86- und
Italia-90-Sammelalben fanden (hier sehen die Leute auf dem Land teilweise
genauso aus!), günstig aßen und die ganze Spirituosenkarte
durchtranken. Serviert wurden die Getränke von einem weiteren
Dragan, der sehr schnell neue Tabletts brachte, immer irgendeinen
serbischen Spruch auf den Lippen hatte und irgendwie an Big-Brother-Jürgen
erinnerte. Auf der Straße spielten kleine Sinti- und Roma-Kinder
(zur Frage, ob man Zigeuner sagen darf, verweise ich wieder auf die
Wikipedia) fantastisch gut Geige, es liefen größtenteils
mäßig hübsche Mädchen im Minirock umher und auf
allen Fernsehen lief ein Tennisspiel von Fräulein Jankovic (nicht
Jerkovic, leider auch nicht Ivanovic). Als ob Serbien im Fußball-WM-Finale
stünde! Bis dahin fließt wohl noch einiges Wasser die Donau
hinunter, aber im Tennis sind sie wohl z.Z. besser.
Fazit: Novi Sad («Belgrad auf Valium», Lonely Planet)
ist eine Übernachtung wert. Ich liege mit Christian in einem
Doppelbett, in dem man wirklich jede Bewegung des Bettnachbarn unmittelbar
wahrnimmt.
Christian:
Eingeprägt und deswegen hier erwähnenswert: die beiden
Damen unserem Hostel, die uns lustigerweise völlig wiedersprüchliche
Infos über Novi Sad gaben. Dafür hatte die eine schick neon-pink
lackierte Fingernägel.
In Novi Sad selber war kam mehr
etwas davon zu spüren, dass die Nato hier im Jahr 2000 alle drei
Donaubrücken im Rahmen des Kosovokrieges weggebomt hat. Mittlerweile
sind sie aber wieder aufgebaut und wir überqueren zum ersten
Mal die Donau, wenn auch zu Fuß.
Am Strand wissen nicht nur die
mega-leckeren Cevapčici zu begeistern, auch das Bier schmeckt
hervorragend und wir starten mehrere Schnapsrunden, zu denen wir im
weiteren Verlauf auch Dragan, unseren Big-Brother-Jürgen-Kellner
einladen. Clubbing! Der Rückweg gestaltet sich ein bißchen
komplizierter als gedacht. Nicht wegen den drei Schnapsrunden, sondern
einfach, weil wir uns nicht richtig auskannten.
Ich fange langsam an, mir ernsthafte
Sorgen um mein Fahrgerät zu machen. Den mittleren Zahnkranz kann
ich schon seit längerem vergessen und ich bilde mir ein, dass
der große auch langsam seinen Dienst quittiert. Komme ich damit
noch bis Istanbul oder lieber vorher schon wechseln? Auch jeden Fall
halte ich mittlerweile die Augen verstärkt nach Fahrradläden
offen. |

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